AfZ-Schriftenreihe

Seit 1997 veröffentlicht das Archiv in Zusammenarbeit mit dem Chronos Verlag Zürich Forschungsarbeiten zur Zeitgeschichte in seiner Publikationsreihe «Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich».

Antikommunisten als Staatsschützer. Der Schweizerische Vaterländische Verband 1930–1948

Cover Schriftenreihe, Bd. 11

Dorothee Zimmermann: Antikommunisten als Staatsschützer. Der Schweizerische Vaterländische Verband 1930–1948. Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 11, Chronos Verlag, Zürich 2019. 504 S., 18 Abb.

Jahrelang bespitzelte der nach dem Landesstreik von 1918 gegründete Schweizerische Vaterländische Verband die politische Linke. Seine Beobachtungen lieferte er an die Bundesanwaltschaft, die Fremdenpolizei und den Bundesrat. Die Denunziationen des antikommunistischen Verbandes bildeten die Grundlage polizeilicher Ermittlungen. Auch mit Expertisen, Stellungnahmen und Lobbying hatten die privaten Überwacher prägenden Einfluss auf den schweizerischen Staatsschutz.

Die «Fichenaffäre» des Jahres 1989 löste in der Schweiz eine Kontroverse über den Staatsschutz und die Praktiken der Überwachung aus. In der Folge wurden Ausmass und Einseitigkeit der Bespitzelung von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in der Nachkriegszeit untersucht. Die Praktiken des schweizerischen Staatsschutzes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieben hingegen weitgehend unerforscht.

Dieses Buch stellt das Wechselspiel von Antikommunismus und Staatsschutz von 1930 bis 1948 ins Zentrum. Es zeigt erstmals die engen Verflechtungen zwischen einer privaten, rechtsbürgerlichen Organisation und staatlichen Institutionen auf. Deutlich wird, wie die Überwachung, die Gründung der Bundespolizei und der Erlass zahlreicher antikommunistischer Gesetze in enger Absprache zwischen den Behörden und dem bis 1948 existierenden Schweizerischen Vaterländischen Verband zustande kamen.

Die «Protokolle der Weisen von Zion» vor Gericht. Der Berner Prozess 1933–1937 und die «antisemitische Internationale»

Cover Schriftenreihe, Bd. 10

Michael Hagemeister: Die «Protokolle der Weisen von Zion» vor Gericht. Der Berner Prozess 1933–1937 und die «antisemitische Internationale». Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 10, Chronos Verlag, Zürich 2017. 640 S., 40 Abb.

1933 erhoben der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und die Israelitische Kultusgemeinde Bern vor dem Berner Amtsgericht Klage gegen die Verbreiter der Protokolle der Weisen von Zion. Eigentlich aber standen die Protokolle selbst vor Gericht. In dem weltweit beachteten Verfahren suchten die Kläger das einflussreichste Dokument des modernen Antisemitismus als Fälschung zu entlarven und dadurch den Mythos von der jüdischen Weltverschwörung zu widerlegen.

Die jüdischen Kläger machten es sich zur Aufgabe, die Entstehung der Protokolle durch Dokumente und Zeugenaussagen lückenlos zu rekonstruieren. Dabei trugen sie im Bewusstsein der historischen Bedeutung des Prozesses eine Vielzahl von Materialien zusammen. Die Dokumente sowie die damit verbundenen Korrespondenzen, die sich in der Schweiz und in Deutschland sowie besonders in Israel, Russland und den USA in insgesamt über 30 Archiven befinden, werden in der vorliegenden Publikation erstmals zusammengeführt. Damit entsteht ein detailliertes und differenziertes Bild der Vorgeschichte, des Verlaufs sowie der Hintergründe des Prozesses. Die antisemitischen Beklagten konnten auf ein weit verzweigtes Netzwerk zurückgreifen, das seit den frühen 1920er Jahren geknüpft worden war. Diese bisher kaum erforschte selbsternannte «antisemitische Internationale» reichte von Berlin, Paris und Wien bis nach Los
Angeles und ins mandschurische Harbin.

Michael Hagemeister hat die Dokumente erschlossen, chronologisch geordnet, kommentiert und mit einer Einführung versehen. Zahlreiche Protagonisten, deren Namen, Herkunft und Rolle bisher unklar waren, werden identifiziert. Dabei wird die vorherrschende Sicht auf die Herkunft und Frühgeschichte der Protokolle grundlegend revidiert, auch wenn die Frage der Urheberschaft weiterhin offen bleibt. Die Publikation ist ein Standardwerk für die künftige Forschung über die Protokolle der Weisen von Zion.

Bürger und Juden. Die Familie Wyler-Bloch in Zürich 1880-1954

Cover Schriftenreihe, Bd. 9

Erich Keller: Bürger und Juden. Die Familie Wyler-Bloch in Zürich 1880-1954. Biografie als Erinnerungsraum. Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 9, Chronos Verlag, Zürich 2015. 384 S.

Dem Tuchhändler Joseph Wyler aus dem ländlichen Aargau und dem Anwalt Martin Bloch aus St. Gallen gelingt im bürgerlichen Zürich des späten 19. Jahrhunderts ein sozialer Aufstieg, wie er noch ihren Eltern verwehrt gewesen war. Als Unternehmer und Selbständige nehmen sie im boomenden Wirtschaftszentrum die über Jahrhunderte verweigerte Integration in die eigenen Hände: Sie werden Bürger und bleiben Juden. Ihren politischen Ambitionen im Freisinn jedoch wird eine Abfuhr erteilt.

1925 gehen die beiden Familien Wyler und Bloch zusammen. Hugo Wyler, Sohn des Tuchhändlers, heiratet Gertrud "Trudy" Bloch, die Tochter des Anwalts. Doch längst ist alles instabil geworden. Gegen den Druck der Familie wird Trudy Wyler-Bloch Zionistin. Ihr Mann gründet mit Martin Bloch eine Kanzlei und wird bald darauf Honorarkonsul von Monaco. Politische Wirren rund um Martin Bloch bringen die gemeinsame Anwaltskanzlei aber in arge Schieflage, und der Zweite Weltkrieg setzt auch dem Tuchhandel schwer zu. Im Aktivdienst sehen jüdische Männer wie Hugo Wyler oder sein Schulfreund, der Schriftsteller Kurt Guggenheim, die Möglichkeit, die unvollständige Emanzipation ihrer Vätergeneration zu vollenden, während Trudy Wylers Blick auf Palästina gerichtet bleibt.

Auf inspirierende Weise werden in dieser Kulturgeschichte des Sozialen die Beziehungen und Brechungen schweizerisch-jüdischer Selbstentwürfe zweier Generationen sichtbar gemacht.

Erich Keller hat Geschichte und Deutsche Literaturwissenschaft studiert. Er arbeitet als Publizist und Historiker in Zürich.

Online-Quellen zum Buch

Anlässlich der Veröffentlichung machte das Archiv für Zeitgeschichte eine Auswahl von Quellen aus dem Nachlass von Hugo und Trudy Wyler-Bloch zugänglich:

Download Die Feier (PDF, 23.2 MB): Zwischen den Gängen des opulenten Festmahls präsentieren Hochzeitsgäste Darbietungen. Die hier vermittelten Beiträge illustrieren den optimistischen Erwartungshorizont ebenso wie die Ironie zweier etablierter jüdisch-bürgerlicher Familien.

Familienfilm: Ein eigens für das Fest hergestellter Stummfilm, in dem die Hochzeitsgäste in komödiantische Rollen schlüpfen. Schon hinsichtlich der aufwendigen Herstellung eine Rarität, bietet der Film ein seltenes privates Stimmungbild für die "Goldenen Zwanziger".
Lebenserinnerungen

Download Lebenserinnerungen (PDF, 25 MB) von Martin Bloch: 1943 im Hinblick auf eine nie realisierte Veröffentlichung verfasst, liefern die Lebenserinnerungen und Betrachtungen weit mehr als nur "Memoiren" eines in seiner Zuversicht schwer erschütterten jüdischen Schweizers.
Fundstücke

Download Fundstücke (PDF, 24.5 MB) aus dem Familienarchiv: Theodor Pfister argumentiert 1915 für die Aufnahme von Juden in die Burschenschaft, Hugo Wyler erklärt 1935 das Selbstverständnis der Augustin Keller Loge, Trudy Wyler berichtet 1951 von ihrer Reise nach Israel.

Film zum Bau und zur Grundsteinlegung des Gemeindehauses der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ), 1938-1939 (ICZ-Archiv)

Anstaltsfeind und Judenfreund

Cover Schriftenreihe, Bd. 8

Gregor Spuhler (Hg.): Anstaltsfeind und Judenfreund. Carl Albert Looslis Einsatz für die Würde des Menschen. Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 8, Chronos Verlag, Zürich 2013. 138 S.

Der Berner Schriftsteller und Publizist Carl Albert Loosli (1877–1959) hinterliess ein vielschichtiges Werk vom Mundartgedicht bis zum politischen Pamphlet. Das Buch versammelt Beiträge, die sich mit den Motiven, Strategien und Wirkungen von Looslis gesellschaftspolitischem Wirken auseinandersetzen. Dabei lässt sich der Kampf des ehemaligen Heimzöglings gegen das Anstaltswesen mit seiner biografischen Prägung erklären. Dass der Nonkonformist aber in einer Zeit, in der viele schweigen, seine Stimme gegen den Antisemitismus erhebt und sich, wenn auch in umstrittener Weise, für die Juden einsetzt, ist Folge eines Lernprozesses. So geht es bei Looslis Engagement, dessen Erfolge von den Autorinnen und Autoren kritisch begutachtet werden, nicht nur um die Aufarbeitung persönlich erlittenen Unrechts, sondern um ein allgemeines Prinzip – um die Würde des Menschen.

Gerettet – zerbrochen

Cover Schriftenreihe, Bd. 7

Gregor Spuhler: Gerettet – zerbrochen. Das Leben des jüdischen Flüchtlings Rolf Merzbacher zwischen Verfolgung, Psychiatrie und Wiedergutmachung, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 7, Chronos Verlag, Zürich 2011. 229 S.

Die in Württemberg lebenden Eheleute Julius und Hilde Merzbacher bringen ihren dreizehnjährigen Sohn Rolf 1937 in die Schweiz. Während er und sein Bruder Werner die nationalsozialistische Judenverfolgung im Exil überleben, bleiben die Eltern in Deutschland zurück und werden in Lublin-Majdanek ermordet.

Rolf Merzbacher arbeitet ab 1940 in der Thurgauer Landwirtschaft und im Emigrantenlager. Der Jugendliche leidet unter Konzentrationsstörungen und beginnt 1942 eine Psychotherapie. 1944 tritt er in die Psychiatrische Klinik Münsterlingen ein. Von der Elektroschockbehandlung erhofft er sich die Heilung seines Leidens, dessen Ursache vorerst rätselhaft bleibt. Schliesslich diagnostiziert die Klinik Schizophrenie. Nach dem Krieg wollen die Thurgauer Behörden den unerwünschten Juden loswerden. Er wird in den Kanton Graubünden verlegt und bleibt bis zu seinem Tod 1983 in psychiatrischer Pflege. In den 1950er Jahren fragt sich sein ehemaliger Arbeitgeber, ob man sich nun Vorwürfe machen müsse. Und die deutschen Wiedergutmachungsbehörden haben in den 1960er Jahren zu beurteilen, ob es zwischen Merzbachers Krankheit und der Judenverfolgung einen Zusammenhang gebe.

Rolf Merzbachers Schicksal wird anhand von Selbstzeugnissen, von Akten der Psychiatrie, Polizei, Flüchtlingsfürsorge und der Wiedergutmachungsverfahren sowie aufgrund von Interviews mit Zeitzeugen dargestellt. Der Einzelfall wird in seinem historischen Zusammenhang untersucht und gibt Einblick in die schweizerische Flüchtlingspolitik, die Psychiatrie der 1940er Jahre und die Logiken der Wiedergutmachung.

Abwehr und Aufklärung

Cover Schriftenreihe, Bd. 6

Zsolt Keller: Abwehr und Aufklärung. Antisemitismus in der Nachkriegszeit und der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 6, Chronos Verlag, Zürich 2011. 348 S.

1944 gründete der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) das Ressort «Abwehr und Aufklärung». Die entsprechende Kommission registrierte vielfältige Formen latenter und virulenter Judenfeindschaft, diskutierte angemessene Re- Aktionen und versuchte, den Antisemitismus in der Nachkriegszeit zu bekämpfen.

Antisemitismus wird in diesem Buch aus der Optik der Betroffenen erfasst und in sein historisches Umfeld eingebettet. Öffentliches Aufsehen erregten Pamphlete aus dem In- und Ausland sowie Antisemiten, die ihre judenfeindlichen Verschwörungstheorien auch nach der Shoah weiterverbreiteten. Ins Blickfeld der Studie gerät auch der Umgang kantonaler und eidgenössischer Behörden mit dem Antisemitismus. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft hatte darüber zu befinden, ob judenfeindliche Vorfälle zur Anklage gelangen sollten; die den Gemeindebund betreffenden Akten legte sie bis weit in die Nachkriegszeit unter dem Schlagwort «Judenfrage» ab. Nach 1948 war der neu gegründete Staat Israel Gegenstand antisemitischer Projektionen, und der Gemeindebund sah sich verschiedenen Spannungsfeldern politischer Loyalitäten ausgesetzt. Der Staatsschutz beobachtete zionistische Gruppierungen und ihre Exponenten mit Argwohn. Der Autor verrät überdies ein feines Gespür für die leisen und unspektakulären Töne, mit denen sich der Antisemitismus während der gesamten Nachkriegszeit in der Schweiz äusserte. So kursierten in Diskussionen um eine mögliche Sondersteuer für Rückwanderer nach dem Zweiten Weltkrieg oder zur Frage der Kirchensteuerpflicht des SIG im Kanton Zürich antisemitische Stereotype auch zwischen den Zeilen oder hinter vorgehaltener Hand.

Der SIG suchte Verbündete im Kampf gegen den Antisemitismus. Er fand sie in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in der religiös ausgerichteten «Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft» und später in der politisch aktiven und überparteilichen «Gesellschaft Schweiz-Israel».

Die Studie stützt sich unter anderem auf umfangreiche Quellenbestände im Archiv für Zeitgeschichte, insbesondere auf das SIG-Archiv. Sie schliesst zeitlich an die Forschungen der «Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg» an und leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Nachkriegszeit.  

«Buchenwaldkinder» – eine Schweizer Hilfsaktion

Cover Schriftenreihe, Bd. 5

Madeleine Lerf: «Buchenwaldkinder» – eine Schweizer Hilfsaktion. Humanitäres Engagement, politisches Kalkül und individuelle Erfahrung, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 5, Chronos Verlag, Zürich 2010. 448 S.

Sommer 1945, der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die Dimensionen der europäischen Katastrophe werden fassbar. Gleichzeitig zeichnen sich die Konturen einer neuen weltpolitischen Ordnung ab. Die Schweiz beteiligt sich am Wiederaufbau, will aber ihre Unabhängigkeit bewahren und sich nicht dem Hilfswerk der Siegermächte (UNRRA) anschliessen. In dieser Situation bietet das vom Bundesrat initiierte Hilfswerk Schweizer Spende den Alliierten an, für ein halbes Jahr 2000 Kinder aus Konzentrationslagern zur Erholung aufzunehmen.

Die Autorin untersucht die Entstehung, Planung und Umsetzung der Hilfsaktion, die in der Tradition der humanitären Kinderhilfe stand. Dabei kam vieles anders als geplant. Es wurden nicht 2000 Kinder, sondern 370 junge Erwachsene aus dem Konzentrationslager Buchenwald aufgenommen. Die beteiligten Institutionen verfolgten unterschiedliche Ziele, was zu Konflikten, aber auch zu überraschenden Koalitionen führte. Nach einem Jahr stellte die Schweizer Spende ihr Engagement ein, obwohl sich die grosse Mehrheit der aufgenommenen Holocaustüberlebenden immer noch im Land befand. Das Buch zeigt, wie sich das Verhältnis zwischen Betreuenden und Betreuten gestaltete, wie es den Geretteten gelang, ein neues Leben aufzubauen, und woran sich die damals Beteiligten sechzig Jahre später erinnern. So entsteht ein vielschichtiges Bild der Hilfsaktion. Darüber hinaus ergeben sich aufschlussreiche Einblicke in die von der Forschung bisher wenig beachtete humanitäre Politik der Schweiz in der unmittelbaren Nachkriegszeit.  

Über Fremde reden

Cover Schriftenreihe, Bd. 4

Patrick Kury: Über Fremde reden. Überfremdungsdiskurs und Ausgrenzung in der Schweiz 1900 – 1945, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 4, Chronos Verlag, Zürich 2003. 271 S.

Die Thematik der "Überfremdung" hat die politische Kultur der Schweiz im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt. Zahlreiche Volksinitiativen belegen dies ebenso wie die Gründung von politischen Organisationen, die dieses Thema zum programmatischen Schwerpunkt erhoben. Die Art und Weise des Sprechens über Fremde hat Tradition und beeinflusst den Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern bis heute. Trotz dieser grossen gesellschaftspolitischen Bedeutung ist kaum bekannt, dass die Entstehungszusammenhänge der Überfremdungsdebatten in der Zeit um 1900 liegen. Auch gestaltete der Überfremdungsdiskurs die schweizerische Politik der ersten Jahrhunderthälfte massgeblich mit, so etwa die "geistige Landesverteidigung" und die antijüdische Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkriegs.

Das Buch spannt den Bogen vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis 1945. Es analysiert das Wechselspiel von Diskurs, rechtlichen Normen, behördlichem Handeln und wirtschaftlichen Erfordernissen, skizziert die einzelnen Phasen und beleuchtet die wichtigsten Protagonisten. Im Mittelpunkt stehen die zwanziger Jahre, als nach der Gründung der eidgenössischen Fremdenpolizei der Überfremdungsdiskurs eine neue Ausrichtung erhielt. Das Reden über "Fremde" wurde antisemitisch aufgeladen, und die Formen der Abwehr, insbesondere gegen jüdische Flüchtlinge, verfestigten sich lange vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland. Die Arbeit leistet so auch einen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, indem sie die damalige schweizerische Flüchtlingspolitik aus der Perspektive dieses Diskurses beleuchtet. Zugleich erarbeitet sie das historische Wissen, das aktuelle politische Fragen der Ausländer-, Einbürgerungsund Flüchtlingspolitik besser verstehen hilft.  

Für Wirtschaft und Vaterland

Cover Schriftenreihe, Bd. 3

Christian Werner: Für Wirtschaft und Vaterland. Erneuerungsbewegungen und bürgerliche Interessengruppen in der Deutschschweiz 1928-1947, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 3, Chronos Verlag, Zürich 2000. 440 S.

Dieser grundlegende Beitrag zur schweizerischen Wirtschaftsgeschichte in den dreissiger und vierziger Jahren erhellt umfassend eine ebenso spannende wie zentrale Thematik: den Aufbau und die Entwicklung des wirtschaftspolitischen Lobbyismus in der Schweiz. Der krisenhafte Modernisierungs- und Integrationsprozess in der Schweiz der Zwischenkriegszeit erfasste nicht nur die politische Linke, er veränderte auch nachhaltig die bürgerliche wirtschaftspolitische Landschaft. Als Gegenreaktion zur teilweisen Einbindung der Sozialdemokratie und den Tendenzen zum verstärkten staatlichen Interventionismus bildeten sich Bewegungen und Pressure Groups, die zur Wahrnehmung privatwirtschaftlicher Interessen neue Formen der Beeinflussung von Politik und Gesellschaft anwandten. In deren Zielsetzungen und Programmatik finden sich widersprüchliche Elemente: Manchesterliberalismus und korporative Wirtschaftsordnung, Antietatismus und autoritärer Staat, Anpassung an das "neue Europa" und entschlossener Widerstand.

Der Autor hat zentrale Archivbestände des Archivs für Zeitgeschichte der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ausgewertet; er schildert anschaulich die Entstehung der Schweizerischen Vereinigung für wirtschaftliche Solidarität, des Bundes für Volk und Heimat, der Aktionsgemeinschaft Nationaler Wiederaufbau (Redressement National), des Bundes der Subventionslosen sowie der Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft (wf), der wohl bekanntesten und einflussreichsten PR-Organisation der schweizerischen Wirtschaft. Am Beispiel von Robert Eibel, dem forschen Trumpf-Buur-Publizisten, wird paradigmatisch das weitverzweigte Beziehungsgeflecht zwischen diesen Bewegungen analysiert, eindrücklich verdichtet durch zahlreiche Kurzbiographien im Anhang.  

Schtetl an der Sihl

Cover Schriftenreihe, Bd. 2

Karin Huser: Schtetl an der Sihl. Einwanderung, Leben und Alltag der Ostjuden in Zürich 1880 1939, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 2, Chronos Verlag, Zürich 1998. 305 S.

Zwischen 1880 und 1939 emigrierten über drei Millionen Jüdinnen und Juden aus Polen und Russland bzw. der Sowjetunion. Auch die Schweiz und insbesondere die Stadt Zürich wurden für einen Teil der ostjüdischen Emigranten zur neuen Heimat. Bis 1939 erhielten rund eintausend ostjüdische Zuwanderer das Bürgerrecht der Stadt Zürich. In Aussersihl und Wiedikon bildete sich ein kleines Ostjudenviertel, wo bald Geschäfte mit ostjüdischem Angebot, Betstuben und ein reges Vereinsleben entstanden. Zahlreiche Künstler ostjüdischer Herkunft leisteten einen wichtigen Beitrag zum Kulturleben der Schweiz. Auch einige namhafte Vertreter der internationalen Arbeiterbewegung wie Pavel Axelrod, Peter Pasternak, Rosa Luxemburg und Leo Jogiches hielten sich vorübergehend in der Limmatstadt auf. Doch die ostjüdischen Zuwanderer wurden in Zürich oft nicht mit offenen Armen empfangen. Besonders bei der Einbürgerung legten ihnen die städtischen Behörden Steine in den Weg: Einbürgerungsgesuche von Ostjuden wurden mehr als doppelt so oft abgelehnt wie jene der anderen ausländischen Bewerber.

Dank einer systematischen Auswertung der Stadtratsprotokolle konnten erstmals Aussagen über die demographischen Merkmale der ostjüdischen Zuwanderer sowie ihr Alltagsleben in der Limmatstadt gemacht werden.

Von der Kontrolle zur Abwehr

Cover Schriftenreihe, Bd. 1

Uriel Gast: Von der Kontrolle zur Abwehr. Die eidgenössische Fremdenpolizei im Spannungsfeld von Politik und Wirtschaft 1915 – 1933, Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich, Band 1, Chronos Verlag, Zürich 1997. 438 S.

Die Eidgenössische Fremdenpolizei ist eine Institution, die in erster Linie durch die Asyl- und Flüchtlingspolitik des Bundes während des Zweiten Weltkrieges einem breiteren Publikum bekannt ist. Wer aber weiss, dass die Fremdenpolizei seit dem Ersten Weltkrieg auch einen zunehmenden Einfluss auf die allgemeine Ausländerpolitik der Schweiz ausübte? War sie zunächst noch an der Abwehr von Spionage, Wucher, Schmuggel usw. beteiligt, so erhielt sie schon kurz nach dem Krieg den Auftrag der «Überfremdungsbekämpfung».

Dieses Buch zeigt, wie die Eidgenössische Fremdenpolizei aus einem Provisorium des Ersten Weltkriegs unter der Leitung von Heinrich Rothmund Schritt für Schritt ihre Kompetenzen erweiterte und sich zu einer massgebenden Instanz in der schweizerischen Ausländerpolitik entwickelte.

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen stellt eine minutiöse Analyse der Entstehungsgeschichte der Eidgenössischen Fremdenpolizei und deren Einbindung in das neue Konzept der schweizerischen Ausländerpolitik dar. Ähnlich wie in anderen Ländern zeichnete sich diese - nach einer offenen, liberalen Ära - nach dem Ersten Weltkrieg durch eine kontrollierte und auf Abwehr bedachte Politik aus. Die damals gelegten Strukturen und Einstellungen blieben bis weit über die Zeit des Zweiten Weltkrieges erhalten und wirken bis in die Gegenwart nach.

Medienecho

«Das informative Werk schildert auf Grund zahlreicher ungedruckter und gedruckter Quellen detailliert die Anfänge einer eidgenössischen Ausländerpolitik und hält auch nicht mit abgewogenen, aber deutlichen Urteilen zurück.» Neue Zürcher Zeitung

«Es ist eine spannende Lektüre, die eidgenössische Politik in jenem Feld spiegelt, in dem Freiheit allzuoft als Bedrohung empfunden wurde und wird.» Der Bund  

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